Zurück in der Zivilisation

Es hat tatsächlich mal wieder Alles geklappt, immer wieder verblüffend. Am Montag morgen um 6 Uhr hat mich Jerry, ein netter Ambonese, der für den Papua Bird Club manchmal als Fahrer arbeitet im 4×4 vom Hotel abgeholt. Überpünktlich. Auf der 60 km langen Strecke bis zur Abzweigung nach Malagufuk dachte ich zuerst nicht, dass der Geländewagen nötig gewesen wäre, aber die letzten 20 km sind unasphaltiert und teilweise megasteil, da wäre für jeden normalen PKW Schluss gewesen. Am Start des schmalen Waldwegs, der zum Ort führt, warteten nicht wie ausgemacht zwei Träger, um mein Gepäck zu transportiern. Deshalb hat Jerry kurzerhand einen vorbeilaufenden Papua, der sich auch gerne die 6 € Trägerlohn verdienen wollte, verpflichtet. Ich habe die Hälfte meiner Vorräte noch in meinen Daypack gepackt und dann ging es los. Der Träger hat meinen großen Rucksack und den Rest der Vorräte geschleppt, uff ! Er grinste aber die ganzen 4 km durch den Wald fröhlich, war also offenbar nicht schlimm für ihn. Trotzdem hätte ich ungerne getauscht. Im Ort hatte ich grade die Organisatorin des Ökotourismusprojektes gesprochen und mein sehr einfaches Quartier bezogen, als mich lautstark eine Horde Kinder abholte und zu einem Garten in der Nähe mitschleifte.

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Da wurde grade ein junger nördlicher Kasuar von einer älteren Dame mit Bananen gefüttert. Der Vogel ist aus einem im Wald gesammelten Ei im Dorf erbrütet worden und hält sich normalerweise in den angrenzenden Wäldern auf. Da niemand aus dem Dorf noch Vögel jagt (die Vogelkucker bringen einfach zuviel Geld ins Kaff) geht es ihm dabei ziemlich gut. Ab und zu kommt er für ein paar Leckerbissen im Dorf vorbei. Noch viel verblüffender ist, dass es auch einen adulten Kasuar gibt, der habituiert ist und ebenfalls manchmal im Ort spazieren geht.

dsc02560Der soll abgeblich von alleine angefangen haben, sich den Menschen zu nähern. Keine Ahnung, ob man das glauben kann, im Gegensatz zu den teilweise handzahmen Helmkasuaren in Australien, die seit Generationen geschützt sind, gehört der nördliche Kasuar zu den mit Abstand scheuesten Vögeln der Welt.

Malagufuk ist eigentlich nur eine Lichtung im ungestörten Tiefland-Primärregenwald an der Südseite der Vogelkopf-Halbinsel. Die Leute hier jagen schon seit 10 Jahren nicht mehr oder nur noch Wildsauen und Rusa-Hirsche (beides nicht einheimisch). Dadurch sind die Vögel hier nicht so irrsinnig megascheu wie in den normalen Wäldern Neuguineas. Es gibt hier also auch die Möglichkeit, Arten wie den Red-billed Brushturkey, eins der truthahngroßen Thermometerhühner, wirklich zu sehen und nicht nur aus Kilometerabstand rufen zu hören. Man wohnt hier sehr einfach in einer Hütte mit Moskitonetz und dünnen Schlafmatten darunter ( glücklicherweise habe ich die Thermarestmatte mit). Davor eine kleine Veranda, auf der dreimal täglich mein mitgebrachtes Essen von der Nachbarin gekocht serviert wird. Strom, Handynetz oder gar Internet gibt es natürlich nicht. Es ist nett, mal wieder Kinder (und davon ne Menge) zu sehen, die sich mit Blättern, Stöcken und sonstigen selbstgefunden Spielsachen prima beschäftigen können. Wenn das mal zu langweilig wird, kann man immer noch die Hühner ärgern oder dem weißen Mann bei Vögelkucken zuschauen (ohne dabei zu nerven).Es gibt auch mehrere angebliche Guides, die aber außer den Wegen nichts kennen. Und dann glücklicherweise noch Daniel, einen 20-jährigen mit dem Können eines großen Guides.

dsc02419Er kann die Stimmen der hier wichtigen Arten und weiss wie man sie findet. Man sieht in ihm die Seele des Jägers. Er läuft tiefenentspannt barfuss vor einem durch den Wald, schneidet beiläufig runterhängende Rattanranken und quer verlaufende Lianen ab (damit auch der tollpatschige Weiße leise durch den Wald kommt). Ab und zu pflückt er mit der Machete einen Landblutegel zwischen seinen Zehen raus und zerquetscht ihn am nächsten Baum. Und auf einmal bemerkt es eine Bewegung oder ein Geräusch, das ich gar nicht mitbekomme. Aber ich sehe an seiner vollkommen veränderten Körperspannung, das er irgendetwas Gutes gefunden hat. Da er ausser ein paar Vogelnamen kaum englisch kann, ist das beschreiben manchmal nicht ganz einfach, aber am Ende habe ich die meisten Sachen dann gefunden. Es hat jedenfalls echt Spaß gemacht, mit ihm unterwegs zusein. Bei den kleineren Singvögeln in den gemischten Schwärmen ist er noch nicht so firm, aber die kann ich ja auch selber bestimmen. Nachmittags war ich dann meist mit dem GPS alleine unterwegs, und habe tatsächlich 7 der 11 hier für mich neuen Arten selber gefunden. Aber den Red-billed Brushturkey (das Thermometerhuhn) und den superschwierigen Red-breasted Paradise-Kingfisher

dsc02343hätte ich ohne Daniel sicher verpasst.

Falls Ihr Euch wundert, warum es bei dieser  Tour so oft um Eisvögel geht, hier ist das Evolutionszentrum dieser coolen Gruppe. Hier ist noch einer, der Rufous-bellied Kookaburra.

dsc02288Auch den letzten, für mich möglichen neuen Paradiesvogel auf dieser Tour, den Manificent Riflebird, hat Daniel mir gefunden. Der ist hier allerdings so häufig, dass er auch problemlos alleine findbar ist, wenn man die Stimme erstmal drauf hat.

Auch nett, bis zu drei balzende King Bird-of-Paradise gleichzeitig.

dsc02256Ja weitere Highlights u.a. 9 Papageienarten, 5 Eisvögel, der seltene Hooded Monarch und täglich mehrere Brown Forest Wallabies. Es ist merkwürdig, auch mal außerhalb von Australien Kängurus zu sehen.

Naja, die 4 Tage sind schnell rumgegangen und haben außer 11 wichtigen Lifern auch eine Menge garstige Chiggers-Bisse gebracht, von denen ich noch eine Weile was haben werde. Dafür gab es keine Mücken und die Blutegel haben mich wegen der Gummistiefel auch weitgehend verschont.

Eine erwas ärgerliche Situation ergab sich am Ende, als die Rechnung merkwürdigerweise mehr als das Dreifache des ursprünglich ausgemachten Betrages umfasste. Mein Fehler, das ich das nicht schriftlich hatte, ist aber sehr selten in Indonesien. Habe dann kräftig unberechtigte Positionen gekürzt, aber am Ende doch das Doppelte bezahlt. Nicht die beste Werbung für ein eigentlich sehr gutes Projekt. Hoffentlich lernen sie das noch.

Trotzdem insgesamt eine hervorragende Tour.

dsc02423Nach einem Nachmittag und Abend mit Strom zum Akkuladen und Internet und den ersten beiden Bieren seit 10 Tagen (Jerry wusste, wo man Bier kaufen kann) sitze ich jetztauf der Schnellfähre nach Waigeo. Auf dieser großen Insel vor der Westküste Neuguineas werde ich jetzt mal 4 Tage am Meer wohnen, morgens im Wald Birden und nachmittags Schnorcheln in den angeblich artenreichsten Riffen der Welt. Da werde ich auch mal ein paar Bilder zusammensuchen, um diesen Beitrag nachträglich etwas zu illustrieren.

Schöne Grüße in die Kälte,

Matthias

9 Kommentare zu „Zurück in der Zivilisation

  1. Hi Matthias,
    nice to hear again! Das hört sich doch sehr nett an, bis auf die vietnamesischen Momente zum Schluss, aber naja. Immerhin mussten sie dich nicht essen, um auf ihr Kosten zu kommen. Und Meer, Korallenriff und demnächst Fotos klingt doch auch gut. Nachher mal in Google Earth nach Waigeo schuan. Besser ein Blick von oben als gar nicht da.
    Viele Grüße aus dem SchneegrieselTauwettergraueSuppeLand,
    Volker

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  2. Lieber Matthias, schön, dass du wieder in der Zivilisation zurück bist und dass du dich gemeldet hast. Freue mich für dich, dass deine Planungen so gut klappen und die Liferanzahl steigt. Viel Spaß beim Schnorcheln und etwas entspannen. Ich freue mich schon auf die Fotos, die noch kommen.
    Lg Barbara

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  3. Klasse Beitrag Matthias. Erste Sahne, dass es erfolgreich weitergeht. Ärgerliche Aktion mit dem Preis. Aber war mit Sicherheit dennoch die Summe wert.
    Beste Grüße und good birding (sauf nicht ab beim Schnorcheln)

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  4. Lieber Matthias,
    diesen spannenden und tollen Beitrag habe ich (Barbara H) heute auf der Autofahrt von Wildeshausen nach Kelkheim im Auto vorgelesen. Wir waren auf der Rückfahrt von der Geburtstagsfeier von Mathias‘ Mutter (90) – und im strömenden Regen auf der Autobahn irgendwo in Hessisch Sibirien war Dein Beitrag wie eine kleine wunderbare Kurzgeschichte von der anderen Seite der Welt. Wir haben uns in den Regenwald hineinversetzt – und mit gefiebert, ob und wie es weiterging. Ganz toll! Und super, dass Du so viele neue Arten gesehen hast – Deine Liste ist ja nun erheblich länger geworden.
    Ganz liebe Grüße – beim Schnorcheln wären wir auch gerne dabei :-). Hol‘ Dir keinen Sonnenbrand!
    Barbara H und Mathias

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    1. Moin Ihr beiden,
      ja momentan wo die entzündeten Chiggerbisse durch das Salzwasser langsam heilen und ich nach megaerfolgreicher Morgentour in der Hängematte über dem Strand Kaffee trinke, würde ich ungerne mit irgendjemand tauschen wollen. Schöne Grüße Matthias

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  5. Hallo Matthias,
    war heute zum ersten Mal auf deinem Blog. Hat mir prima gefallen! Ich bin schon gespannt darauf wie es weitergeht und wünsche viel Erfolg. Viele Grüße, Thomas

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      1. Hallo, über meinen guten Freund Stefan (Dröse) bin ich auf den Blog gestoßen. Und ich verfolg den Blog mit Spannung!! Toll, macht Spaß.

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